Plan für Graz



Heimo Maieritsch, Citymanager der Stadt Graz, im Gespräch über städtisches Handelsmarketing darüber, wie man sich in einer Stadt am besten orientiert.

Im Wort Orientierung steckt der Orient – also das Morgenland, das erwartungsvolle Hinwenden zur aufgehenden Sonne. Worauf bezieht sich diese erwartungsvolle Hinwendung der Besucher einer Stadt?

Maieritsch: “Das ist ein schönes Bild. Das heißt, wir müssen uns vorher überlegen, was in unserer Stadt einer aufgehenden Sonne entspricht. Was ist wirklich wichtig für diejenigen, die Orientierung suchen? Darauf müssen wir dann hinweisen. Das sind dann zum Beispiel die Highlights der Stadt genauso wie die Verkehrsmittel oder die Orte für menschliche Bedürfnisse.”

Woran orientiert sich üblicherweise das Handelsmarketing einer Stadt? Was sind die Ansprüche der Besucher?

Maieritsch: “Im Stadtmarketing gibt es die 3 „A“. Angebot, Anfahrbarkeit und Atmosphäre. Eine engagierte Stadtmarketing Organisation setzt sich in allen Teilbereichen ein.”

… und der Wirtschaft?

Maieritsch: “Vor allem Handelsbetriebe wollen Frequenz und Umsatz. Das erreicht man mit den 3 „A“. Also siehe oben.”

und last but not least der Politik?

Maieritsch: “Wenn die Besucher und die Wirtschaft zufrieden sind, ist auch die Politik zufrieden.”

Welche messbaren/nicht messbaren Erfolgsindikatoren gibt es für die Arbeit eines Citymanagers?

Maieritsch: “Das haben wir intern ausführlich erarbeitet. Neben den schwerer messbaren Faktoren wie die Belebung der Innenstadt haben wir auch zählbare Indikatoren wie die Einzelhandelszentralitätskennziffer.”

Graz ist irgendwie bekannt dafür, für alles stehen zu wollen: Hauptstadt der Architektur, des Designs, der Literatur, des Jazz, Genusshauptstadt. Was auffällt: Das hat – wenn man von der Stadt der Verbote absieht – alles mit Kunst und Genuss zu tun. Dazu 2 Fragen. Gibt es in Graz wirklich mehr Kultur und Genuss als in anderen Städten?

Maieritsch: “Ja.”

Das menschliche Gehirn neigt zu Vereinfachungen. Das führt dazu, dass man auch komplexe Gefüge wie Städte mit einfachen Bildern verbindet. Paris = Eifelturm und die Liebe, London = Queen, Wien = Steffel. Was ist die einfachste und schnellste Assoziation zu Graz?

Maieritsch: “Ganz einfach: der Uhrturm.”

Stadtmarketing konzentriert sich im Regelfall darauf, den Handel von Innenstädten zu fördern und zu unterstützen. Warum orientiert man sich so an den Zentren – obwohl es eigentlich ungerecht gegenüber allen anderen Stadtbezirken ist, deren Wirtschaft in die Steuertöpfe aber ebenso einzahlt?

Maieritsch: “Modernes Stadtmarketing konzentriert sich keineswegs auf das reine Handelsmarketing. In unserer Dachorganisation, Stadtmarketing Austria, haben wir zwölf Felder definiert, in denen Stadtmarketing aktiv ist. In unterschiedlichen Organisationen haben diese unterschiedliche Priorität. So sind in manchen Organisationen die Aktivitäten im Kulturbereich und in anderen im Eventbereich bevorzugt.

Die Innenstadt selbst ist jedenfalls im wahrsten Sinn des Wortes der Kern und das Zentrum einer Stadt. Dieser Bereich muss jedenfalls funktionieren damit die gesamte Stadt funktionieren kann. Eine Konzentration, aber keine Ausschließlichkeit der Aktivitäten, ist daher legitim.”

Wenn man in ein Einkaufszentrum geht, findet man bei jedem Eingang einen Übersichtsplan: Wo bin ich und wo finde ich welche Geschäfte und Lokale. Warum gibt es das in einer Innenstadt wie Graz nicht?

Maieritsch: “Bisher war der Leidensdruck offenbar noch nicht groß genug. Es wird jedenfalls höchste Zeit dafür und ich setze mich intensiv dafür ein, dass es dieses Leitsystem geben wird. Vielleicht liegt das auch daran, dass es in Graz eine gute Basis für eine Grundorientierung gibt. Markante Punkte am Schlossberg wie der Uhrturm oder die Liesl sind von vielen Einfahrtsstraßen gut sichtbar. Daran kann man sich gut orientieren.”

Orientierungssysteme machen nur Sinn, wenn sie wahrgenommen werden und Wahrnehmung ist geschwindigkeitsabhängig. Autofahrer – Radfahrer – Fußgänger haben sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten. Einkaufszentren haben da den Vorteil, dass ja alle zu Fuß unterwegs sind. Wie stellt man sich dieser Aufgabe als Stadt?

Maieritsch: “Um für alle geeignet zu sein, muss es ein System sein, wo man die Grundinformation schnell aufnehmen kann und dann die Möglichkeit bekommt, die Information zu erweitern und zu vertiefen. Das schafft man zum Beispiel durch die Kombination von analogen und digitalen Systemen.”

Gibt es Daten darüber, wie stark Stadtbenutzer digitale Orientierungssysteme nutzen – also zB Routenplaner am Smartphone? Wie wichtig ist dieses Medium inzwischen (und für wen)?

Maieritsch: “Wir haben in Österreichs Bevölkerung die höchste Durchdringung an Smartphones in ganz Europa Allerdings nutzen die meisten Smartphone-Nutzer im Schnitt nur ein einziges App pro Tag. Das zeigt uns, dass es nicht einfach ist, ein digitales System einzuführen, welches auch genutzt wird. Da diesbezügliche Statistiken am Tag, an dem man sie erhält schon wieder überholt sind, kann sich das rasch ändern.”

Früher war es für die zumindest halbe Steiermark selbstverständlich, nach Graz zum Einkaufen zu kommen, weil das Angebot am Land dürftig bis inexistent war. Das ist längst ganz anders, nicht nur was das wirtschaftliche, sondern auch was das kulturelle Angebot betrifft. Wozu sollte man heute etwa aus dem Raum Leibnitz, Gleisdorf oder Bruck nach Graz fahren? Oder wird die Entvölkerung der ländlichen Räume diesen Trend sowieso wieder umkehren?

Maieritsch: “Wenn man die Erwartungen übererfüllt, kommen die Menschen gerne in die Stadt. Diesbezüglich bemühen sich viele in Graz. Im Advent merkt man das zum Beispiel und viele kommen aus dem Umland in die Innenstadt. Natürlich spielt die Zuwanderung aus den Regionen dabei positiv mit.”

Leitsysteme nehmen Menschen an der Hand und führen sie von A nach B, zB vom Bahnhof zum Kastner & Öhler. Ein Orientierungssystem hingegen hilft mir eher dabei, mich in einem fremden Raum zurecht zu finden, damit Sicherheit zu gewinnen und mich dann in diesem Raum frei bewegen zu können. Was ist für eine Stadt wichtiger?

Maieritsch: “Am besten machen wir ein Leitsystem, das Orientierung schafft.”